12-Stunden – Änderung des Arbeitszeitgesetzes

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Wir möchten Euch hiermit ein paar Informationen und weiterführende Links zur geplanten Änderung des Arbeitszeitgesetzes geben, die derzeit heftig öffentlich diskutiert wird. Wir werden uns in den nächsten Tagen damit auseinander setzen, inwieweit sich die Änderungen auf unseren Arbeitsbereich auswirken werden, und diese Informationen nachliefern.

Die Inhalte und auch die Art und Weise (ohne für solche Gesetze übliches Begutachtungsverfahren) sind ein massiver Angriff auf die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und es ist leider zu befürchten, wenn dies widerstandslos hingenommen wird, dass weitere Verschlechterungen für ArbeitnehmerInnen folgen werden. Insbesondere der Wegfall von Überstundenzuschlägen, die Erhöhung der Arbeitszeit insgesamt, die reduzierte Planbarkeit von privaten Terminen (d.h. auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie) und Rechtsunsicherheit, wann ein/e ArbeitnehmerIn eine angeordnete Überstunde ablehnen darf, sind aus unserer Sicht höchst problematisch. Ihr findet weiter unten in diesem Beitrag mehr Informationen zu diesen Punkten.

Am kommenden Samstag findet in Wien ab 14.00 Uhr eine Demonstration gegen diese Gesetzesänderungen statt, Treffpunkt Westbahnhof. Von verschiedenen Städten der Steiermark sind Busse organisiert, Anmeldung bitte hier:

  • ÖGB-Regionalsekretariat Bruck/Mürzzuschlag/Leoben: 03852/2388
  • ÖGB-Regionalsekretariat Weiz/Hartberg/Fürstenfeld: 03172/2259
  • ÖGB-Regionalsekretariat Leibnitz/Deutschlandsberg: 03462/2809
  • ÖGB-Regionalsekretariat Köflach/Graz-Umgebung: 03144/3382
  • ÖGB-Regionalsekretariat Graz: 0316/7071-218

Ab Montag ist Österreichweit eine Info-Hotline des ÖGB von 9-18h eingerichtet. Arbeitsrechtsexperten beantworten eure Fragen!
0800-2212-0060

Im Blog Arbeit und Wirschaft (der ÖGB und AK) gibt es weiterführende Artikel zu verschiedenen Themen, z.B. zum  Thema Ablehnen von Überstunden oder zum Thema partnerschaftliche Teilung von Beruf und Familie.

Warum ÖGB und Gewerkschaften den Regierungsvorschlag ablehnen

(weiteres dazu hier):

Die Arbeitszeit wird nicht flexibler, nur länger. Im Vorschlag steht kein Wort zu Freizeit, Wahlmöglichkeit, langen Wochenenden:

  • Bisher ist 12 Stunden arbeiten nur im Ausnahmefall möglich, dafür sind Betriebsvereinbarungen notwendig. Darin ist meist geregelt, dass man Überstunden ohne Begründung ablehnen kann, und in vielen Fällen bekommen die ArbeitnehmerInnen zusätzliche Freizeit.
  • Künftig müssen sich die ArbeitnehmerInnen rechtfertigen, und die privaten Interessen werden mit den betrieblichen abgewogen.
  • Bisher musste der Chef begründen, warum 12 Stunden notwendig sind, jetzt muss der/die ArbeitnehmerIn begründen, warum das nicht geht! Private Interessen (Familie, Freunde, Vereine, Erholung, …) werden da nicht reichen.
  • Auch Arbeit am Wochenende kann leichter angeordnet werden.

Die Regierung greift ins Geldbörsel der ArbeitnehmerInnen und Arbeitnehmer. Viele ArbeitnehmerInnen werden deutlich weniger Überstundenzuschläge bekommen:

  • Bei erhöhtem Arbeitsbedarf sind derzeit bis zu 60 Wochenstunden möglich – aber nur mit Betriebsvereinbarung. Betriebsräte setzen in diesen Vereinbarungen oft höhere Zuschläge oder längere Freizeitblöcke durch. Künftig gibt es auch für die 11. und 12. Stunde nur die gesetzlichen 50 Prozent Überstundenzuschlag. Die Mitwirkungsrechte der Betriebsräte werden gestrichen.
  • In Zukunft kann bei Gleitzeit an fünf Tagen in der Woche bis zu 12 Stunden zuschlagsfrei gearbeitet werden. Derzeit sind bei Gleitzeit höchstens 10 Stunden täglich möglich. Jede längere Arbeitszeit geht nur mit Zuschlägen. Somit ist künftig eine zuschlagsfreie 60-Stunden-Woche möglich. Das betrifft 1 Million ArbeitnehmerInnen.
  • Sehr unsicher sind die Auswirkungen der Neuregelung bei All-in-Verträgen und Überstundenpauschalen. Es ist zu befürchten, dass damit für dasselbe Geld länger gearbeitet werden muss.

Lang arbeiten macht krank und führt zu Unfällen. Viele Studien belegen die Auswirkungen von überlangem Arbeiten:

  • Länger arbeiten macht müde, mehr Unfälle passieren.
  • Ab der 10. Arbeitsstunde geschehen die meisten Arbeitsunfälle.
  • Nach 12 Stunden Arbeit wird auch der Heimweg zur Gefahr.
  • Je länger die Wochenarbeitszeit, desto mehr Herz-Kreislaufbeschwerden.
  • Burn-out-Risiko steigt, wenn man regelmäßig länger als 40 Stunden arbeitet.
  • Über 55 Wochenstunden: Schlaganfallrisiko steigt um 33 Prozent.
  • Über 55 Wochenstunden: Herzinfarktrisiko steigt um 13 Prozent.
  • Mehr Arbeit bedeutet weniger Freizeit für Erholung und gesundheitsfördernde Sport-Aktivitäten.
  • Lange Arbeit muss durch lange Freizeitblöcke ausgeglichen werden. Dafür sorgt jetzt noch der Betriebsrat.

Weitere Informationen

Fehlende Begutachtung macht Inkompetenz und inhaltliche Schwächen sichtbar

Die Vorgehensweise der Regierung in diesem Fall ist mehr als fragwürdig. Dass man eine Gesetzesinitiative, die über 3 Millionen Erwerbstätige Menschen trifft, einfach via Husch-Pfusch-Aktion durch das Parlament peitscht, zeigt, wie unvorbereitet man hier agiert. Die Frage nach Überstundenzuschlägen, und ob diese nun (bei Gleitzeit) wegfallen oder nicht, macht das deutlich. Hier prescht man vor, rudert dann zurück, rudert wieder vor, und sorgt dadurch für totale Unsicherheit für alle Betroffenen. Diese Unsicherheit und Sorge ist aber mehr als berechtigt.

Was eine Überstunde ist, steht in § 6 AZG. Und dass für eine Überstunde ein Zuschlag zu zahlen ist, steht in § 10 AZG. Es wird also keine zuschlagsfreien Überstunden geben.

Gemäß § 4 Abs 1 AZG kann der Kollektivvertrag (und nur der!) eine tägliche Normalarbeitszeit von 10 Stunden zulassen. Wenn das nicht im KV steht, dann beträgt die tägliche Normalarbeitszeit maximal 9 Stunden (§ 4 Abs 6 letzter Satz AZG). Beide genannten Bestimmungen bleiben laut IA unverändert, sodass die 11. und 12. Stunde immer Überstunden sind.

Möglichkeit, angeordnete Überstunden abzulehnen

Im Initiativantrag ist das Recht von Arbeitnehmer_innen, die 11. und 12. Überstunde abzulehnen folgendermaßen festgeschrieben:

“Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können Überstunden nach den § 7  aus überwiegenden persönlichen Interessen ablehnen, wenn durch diese Überstunden die Tagesarbeitszeit von zehn Stunden oder die Wochenarbeitszeit von 50 Stunden übersteigt. Sie dürfen deswegen nicht benachteiligt werden, insbesondere hinsichtlich des Entgelts, der Aufstiegsmöglichkeiten und der Versetzung. In Betrieben mit Betriebsrat, kann mittels Betriebsvereinbarung eine abweichende Regelung vorgesehen werden.”

Das ist eine Formulierung, die bisher so im Arbeitszeitgesetz nicht vorkommt. Denn § 6 Abs. 2 Arbeitszeitgesetz legt beispielsweise schon jetzt folgendes fest:

“Arbeitnehmer dürfen zur Überstundenarbeit nur dann herangezogen werden, wenn diese nach Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zugelassen ist und berücksichtigungswürdige Interessen des Arbeitnehmers der Überstundenarbeit nicht entgegenstehen.”

Dieser Paragraph wird nach dem vorliegenden Initiativantrag nicht geändert. Das führt dazu, dass in ein und demselben Gesetz unterschiedliche Formulierungen zu finden sind. 

Es macht einen Unterschied, ob man von berücksichtigenswürdigen Interessen oder überwiegenden persönlichen Interessen spricht: Ein Kind aus der Schule abholen zu müssen, ist immer berücksichtigungswürdig. Ob es überwiegend ist, ist eine andere Frage. Auch der Besuch einer Fitnessstunde ist ganz bestimmt berücksichtigenswürdig. Ob es überwiegend ist, ist nicht klar. In der Praxis ist ein solcher Unterschied nicht unerheblich. Denn was nun “berücksichtigenswürdig” ist, ist durch die Judikatur ausreichend geklärt. Was aber “überwiegend” ist, müsste wahrscheinlich in jahrelangen Prozessen von Arbeits- und Sozialgerichten abschließend geklärt werden. Dass man in den Erläuterungen das Recht für Betriebsräte einräumen will, “mittles fakultativer Betriebsvereinbarung eine nähere Konkretisierung der überwiegenden persönlichen Interessen” einzuräumen kann auch nur ein Schmäh sein. Was ist mit jenen, die in Klein- und Mittelbetrieben arbeiten, in denen es keinen Betriebsrat gibt?

 

 

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